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Dienstag, 04.07.2023 18:39 - Alter: 1 Jahre

Trauer um Barbara Koerppen

Barbara Koerppen wurde am 5. Januar 1930 als Barbara Boehr in Stolp (heute Słupsk in Polen) geboren. Sie begann sehr früh, Geige zu spielen: Es habe in ihrem Elternhaus eine Viertelgeige gegeben, so erinnert sie sich im Jahr 2022 in einem Interview mit dem Journalisten Volker Hagedorn, „und drei Tage nach meinem fünften Geburtstag bekam ich Geigenunterricht. Ich konnte sehr schnell sehr gut spielen.“ 1939 wurde der Vater, ein Jurist, nach Hannover versetzt und dann „war Krieg und Krieg und Krieg und Krieg, und so bin ich kein Wunderkind geworden.“ In Hannover ausgebombt, ging sie in Hameln zur Schule und machte dort 1948 das Abitur.

Es folgte ein Violinstudium in Hannover, das Barbara Boehr im August 1950 mit der Privatmusiklehrerprüfung abschloss. Sie habe auch komponiert, erinnert sie sich im Interview. Frisch immatrikuliert habe sie damals ihrem jungen Lehrer Alfred Koerppen ein Stück mitgebracht. Als der Verbesserungsvorschläge machte, „hab ich die Noten genommen, die Tür zugeknallt und bin weggegangen.“ Aber sie sei wiedergekommen und geblieben: Am 6. Juli 1961 heiratete sie Alfred Koerppen und es folgten sechs Jahrzehnte engster künstlerischer Zusammenarbeit.

Die Koerppens waren ein bemerkenswertes Künstlerpaar. Hagedorn hat die beiden kurz vor Alfred Koerppens Tod am 5. Juli 2022 besucht und ein anrührendes Doppelportrait im Van-Magazin geschrieben: „Wir sitzen in seinem Haus in Burgdorf bei Hannover, zusammen mit seiner Frau Barbara. Man duzt sich. Sie ist jetzt 92, er 95 Jahre alt. Sie unterstützen einander. Er liest ihr vor, weil sie schlecht sehen kann, und sie kümmert sich um alles andere […]. Sie nennt ihn ‚Koerppen‘, nie Alfred, höchstens mal Alfredo. […] Wenn einer fast ein Jahrhundert hinter sich hat und nicht jede Frage gleich versteht, springt er gern zwischen den Jahrzehnten, Orten, Werken hin und her. Wenn Barbara Koerppen ausführen will, was er nur gestreift hat, knüpft er schon woanders an, so kommt es zu polyphonen Situationen.“

Barbara Koerppen erteilte nach ihrem Examen zunächst Privatunterricht, wirkte im Kammermusikkreis Ferdinand Conrad und im Kammerorchester von Hausegger mit und gründete 1954 das Jugendorchester Hannover, das 1961 zum Jugendsinfonieorchester wurde und das sie viele Jahre lang gemeinsam mit Heinz Hennig leitete. Im Jahr 1992 erhielt sie gerade auch für diese Pionierleistung und für dieses Engagement das Verdienstkreuz 1. Klasse des Niedersächsischen Verdienstordens.

Ab April 1962 lehrte Barbara Koerppen Violine an der Hochschule, zunächst im Lehrauftrag. 1966 gehörte sie zu einer Gruppe „bewährter Lehrkräfte, die infolge ihrer vorzüglichen Lehrtätigkeit“ einen Festvertrag erhielt. 1973 wurde ihr die Bezeichnung „Professor“ verliehen, 1982 erfolgte die Übernahme auf eine C2-Professur.

1992 trat Barbara Koerppen schließlich in den Ruhestand. Aber was heißt für jemand wie sie schon Ruhestand? Es ging ihr bis zu ihrem Tod um die Kompositionen ihres Mannes. Sie schrieb alle seine Partituren mit Tinte ins Reine. „Die Leute sagen: ‚Du Ärmste!‘ Aber ich bin glücklich, dass ich das gemacht habe“, sagt sie im Interview mit Hagedorn. „Das Schönste für mich war das Gutkennen“ der Musik ihres Mannes.

Ort künstlerischer Kreativität war für die Koerppens seit 1962 Sezze Romana (Latium), wo beide die vorlesungsfreie Zeit verbrachten. Er komponierend, sie Geige übend, was sich auf das Innigste miteinander verband: Wenn er seine 5 Gesänge Dauer der Freude für Violine, Sopran und Klavier höre, sei er „doch nach wie vor sehr erfreut, dass das zum Leben gekommen ist. Die Barbara spielt die Geige.“ Ein „Porträt der Geigerin“ nennt Volker Hagedorn dann auch den Zyklus, aus der Musik spreche Barbara Koerppens Energie und Sensibilität. Kurz vor dessen Tod lernt sie 1963 noch Paul Hindemith kennen: „Ich hab’ mit ihm Monteverdis Orfeo in Rom aufgeführt. Alle sagten: ‚Pass auf, der ist sehr schwierig, der Mann‘, aber er hat mich geliebt und ich fand ihn wunderbar.“

Eines der letzten großen Projekte der Koerppens war es, die Villa Koerppen in Sezze zu einem Ort für Studienaufenthalte umzugestalten. Wie letzte Worte klang Barbara Koerppens Ansprache zu Beginn des Konzertes aus Anlass des 20jährigen Bestehens der von ihr und ihrem Mann gegründeten „Alfred Koerppen Stiftung“ am 26. November 2022 in der Hochschule. Nun starb sie am 7. Juni 2023 in Burgdorf. Wir trauern um sie und werden ihrer dankbar gedenken.