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Mittwoch, 09.12.2015 10:09 - Alter: 8 Jahre

Prof. Dr. Sarah M. Roß leitet Zentrum für jüdische Musik

Professorin für Jüdische Musikstudien an die HMTMH berufen | Bewahrung, Erforschung und Vermittlung zentrale Themen des Europäischen Zentrum für Jüdische Musik

 

1)  Das Europäische Zentrum für Jüdische Musik (EZJM)
Das Europäische Zentrum für Jüdische Musik ist in seiner Ausrichtung – der Bewahrung, Erforschung und Vermittlung jüdischer Musik mit Schwerpunkt auf der europäischen Synagogalmusik zwischen 1810 und 1938 – einzigartig. 1988 von Andor Izsák in Augsburg in Zusammenarbeit mit der dortigen Universität gegründet ist das Zentrum seit 1992 ein Institut der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH).
Seit 2012 hat das EZJM mit der eigenen Fachbibliothek seinen Sitz in der zweiten Etage der Villa Seligmann in der hannoverschen Hohenzollernstraße 39. Die Villa wurde am 17. Januar 2012 als Haus für die jüdische Musik eröffnet. Als eines der wenigen Hannoverschen Zeugnisse des jüdischen Bürgertums vor der Schoa ist das Gebäude mit seiner Großen Halle und den zahlreichen Räumen ein einzigartiger Ort für die Dokumentation, Erforschung und Vermittlung jüdischer Musik und wird heute als Kulturort genutzt. Getragen wird die Villa Seligmann durch die Siegmund Seligmann-Stiftung, die die Räume für das Europäische Zentrum für jüdische Musik an die HMTMH vermietet.

2) Prof. Dr. Sarah Maria Roß berufen

Nach der Pensionierung Prof. Andor Izsáks im Jahr 2012 wurde ab Mai 2013 unter Beteiligung prominenter Experten wie Rabbiner Walter Homolka gemeinsam mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur das Stellenprofil für seine Nachfolge erarbeitet. Die Bewerberlage auf die ausgeschriebene Professur für „Jüdische Musikstudien unter besonderer Berücksichtigung synagogaler Musik“ verbunden mit der Direktion des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik war überwiegend weiblich.  So wurde es möglich, Dr. Sarah M. Roß zum 2. Oktober 2015 auf eine von drei Professuren zu berufen, die die HMTMH aus Mitteln des Professorinnenprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erhalten hat.  
Die Hochschule erzielte 2014 in der letzten Ausschreibungsrunde des Professorinnenprogramms einen Spitzenrang. Mit der Umsetzung und Fortschreibung ihres Gleichstellungskonzeptes überzeugte die HMTMH das Auswahlgremium und wurde als „herausragendes Vorbild für eine chancengerechte Hochschule“ geadelt. Im März 2014 bewarb sich die HMTMH zum zweiten Mal zur Aufnahme in das Förderprogramm, unter anderem mit dem Ziel, den Anteil von Frauen in Gremien und Spitzenpositionen weiter zu steigern. Aktuell liegt der Frauenanteil bei den insgesamt 89 Professuren an der Hochschule bei rund 20 Prozent.
Prof. Dr. Sarah Maria Roß studierte Musikethnologie, Judaistik und Klassische Archäologie in Köln sowie Historische Musikwissenschaft, Europäische Ethnologie und Klassische Archäologie in Kiel, promovierte als DFG-Stipendiatin am Graduiertenkolleg ‚Kulturkontakt und Wissenschaftsdiskurs‘ der Hochschule für Musik und Theater Rostock zum Thema ‚Performing the Political in American Jewish-Feminist Music‘ und arbeitete zuletzt als Assistentin für Kulturelle Anthropologie der Musik am Institut für Musikwissenschaft und als Studienfachleiterin für World Arts am Centre for Cultural Studies an der Universität Bern. Dort arbeitete sie an ihrer Habilitationsschrift ‚Musical Timescapes: Überlegungen zu einer Musikethnologie der Nachhaltigkeit‘.
Weitere Informationen zu ihrem Lebenslauf: http://www.ezjm.hmtm-hannover.de/de/das-ezjm/direktorin-prof-dr-sarah-m-ross/

3)  Forschung, Sammlung und wissenschaftliche Arbeit am EZJM
Zentrales Anliegen der Arbeit am Europäischen Zentrum für Jüdische Musik bleibt die Fortführung der Dokumentation, Erforschung und Vermittlung synagogaler Musik, die Prof. Izsák prägte. Daneben wird zukünftig die kulturwissenschaftliche Erforschung jüdischer Musik im Mittelpunkt stehen: kulturwissen¬schaftliche Theorien und Konzepte zu Identität und Musik, Gender, Musik und Migration, zum Traditions¬begriff und anderes. Durch diesen neuen Forschungsschwerpunkt findet eine Öffnung hinsichtlich der Er¬forschung jüdischer Musik in all ihren Erscheinungsformen (von synagogaler über paraliturgische bis hin zu populären Formen jüdischer Musik) in unterschiedlichen kulturellen Kontexten und Epochen statt. Prof. Dr. Roß schafft durch ihr Forschungsprofil neue Schnittstellen zu andern Instituten und Kompetenzen der Hochschule für Musik, Theater und Medien wie dem Centre for world music (über die Professur von Raimund Vogels mit der HMTMH verbunden) oder dem Forschungszentrum Musik und Gender, so dass zukünftig disziplinübergreifende Forschungsvorhaben möglich werden.
Im Rahmen des Niedersächsischen Vorab 2015 ( www.volkswagenstiftung.de/foerderung/vorab.html ) wurde das Vorhaben „Interdisziplinärer Kompetenzaufbau im Forschungsschwerpunkt kulturelle Nachhaltigkeit als angewandte Forschungsstrategie in den Geistes-, Kunst- und Kulturwissenschaften“ mit einer Fördersumme von rund 240.000 EUR bedacht. Hier sollen ab Januar 2016 auf Grundlage interdisziplinärer Forschungsstrukturen und -netzwerke angewandte Strategien zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der Gesellschaft entwickelt werden, wobei gesellschaftliche, kulturelle und künstlerischen Implikationen in den nachhaltigen Entwicklungen besonders berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang spielen auch die aktuellen Diskurse zum Erhalt des immateriellen jüdischen Kulturerbes eine wesentliche Rolle.
Das Europäische Zentrum für Jüdische Musik steht beispielhaft für die verschiedenen Spezialsammlungen an der Hochschule. Den Schwerpunkt der EZJM-Bibliothek bilden neben Medien zu synagogaler Musik in Europa vor allem auch kulturwissenschaftliche Publikationen zu jüdischer Musik, zu jüdischer Musik und Gender. Zu ihren Beständen zählt u. a. die „Sammlung Andor Izsák“ mit dem „Nachlass Edith Gerson-Kiwi“ und der „Sammlung Oberkantor Nathan Saretzki“. Geplant ist, die Bibliothek um Feldaufnahmen zu jüdischer Musik zu erweitern sowie eine KantorInnen-Datenbank aufzubauen. Die EZJM-Bibliothek ist eine reine Präsenzbibliothek.

 4) Lehre
Bereits zum Wintersemester 2015/2016 startete Prof. Dr. Roß mit eigenen Seminaren im Lehrbetrieb an der Hochschule. „Einführung in jüdische Musik“, „Jüdische/synagogale Musik in Indien“, „Synagogale Musik der romaniotischen Juden“ oder „Jüdische Kultur und Musik in Deutschland heute“ sind Themen, die sie mit Studierenden in dem aktuellen Studienjahr erarbeitet.
Darüber hinaus wird es zum Wintersemester 2016/2017 auf Initiative von Prof. Dr. Roß ein neues Ergänzungsfach „Jüdische Musikstudien“ im Masterstudiengang „Musikforschung und Musikvermittlung“ der HMTMH geben. Wie war und ist jüdische Musik in unterschiedliche Kulturen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart eingebunden? Wie ist jüdische Musik in immer wieder neu konstruierten Bildern und Vorstellungen sichtbar? Auf welche Weise wird jüdische Musik überliefert, umgeformt und interpretiert? Das sind Fragen, denen sich Master-Studierende ab dem kommenden Studienjahr stellen können. Ziel des Ergänzungsfachs ist der Erwerb vertiefter Kenntnisse über Praxis und Ergebnisse bisheriger und aktueller Forschung im Bereich der jüdischen Musik sowie der Kompetenz zur selbstständigen musikwissenschaftlichen/-ethnologischen Bearbeitung von Themenfeldern, die die jüdische Musik betreffen.
Weitere Informationen zum Studium: http://www.hmtm-hannover.de/de/bewerbung/studienangebote/musikforschung-und-musikvermittlung-ma/

5) Kooperationen
Gemeinsam mit der Technischen Universität Braunschweig, an der mit der  Bet Tfila – Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa, ein ähnlich einzigartiges Institut wie das EZJM angesiedelt ist, ist die Idee eines Netzwerkes zur jüdischen Kultur entwickelt worden. Diese Idee mündete in der vergangenen Woche (3. bis 5. Dezember) in der Gründung eines Netzwerks „ Jüdische Sachkultur“ bei einer internationalen Tagung im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald. Teilnehmende Institutionen waren neben dem EZJM und Bet Tfila unter anderem das Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg; die Hochschule für jüdische Studien, Heidelberg; das Center for Jewish Art, Hebrew University of Jerusalem; das Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft an der Universität Potsdam sowie das Zentrum für jüdische Kulturgeschichte der Universität Salzburg. Ziel ist die nachhaltige Sicherung von Forschung, Lehre, Vermittlung und Sammlung in Einzeldisziplinen durch interdisziplinäre Netzwerkbildung. Erste Schritte sind gemeinsame Kolloquien und DoktorandInnen-Betreuung, Entwicklung gemeinsamer Forschungsvorhaben und Antragsstellungen. (Fortsetzung der Planungen im April 2016)

Darüber hinaus bestehen folgende kooperative Verbindungen:

  • Gemeinsames Projekt mit der Nationalbibliothek Jerusalem zur Digitalisierung und wissenschaftlichen Aufarbeitung von Nachlässen jüdischer Musikwissenschaftler/innen (hier v.a. Edith Gerson Kiwi) sowie von diversen Kantoren.
  • Gemeinsames Projekt mit dem Jewish Music Research Center an der Hebrew University of Jerusalem zu vergessener synagogaler Musik in Deutschland: 19. bis frühes 20. Jahrhundert
  • Kooperation mit dem Schweizer Projekt „Jüdisches Leben im Aargau: Geschichte – Kultur – Erbe“ (Institut für Kulturwissenschaft Basel). Prof. Dr. Roß ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates