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Montag, 27.06.2016 11:09 - Alter: 8 Jahre
Ladislav Kupkovič verstorben
Die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover trauert um ihren ehemaligen Professor Ladislav Kupkovič, der am 15. Juni 2016 verstarb. Ladislav Kupkovič war seit Oktober 1973 als hauptberufliche Lehrkraft im Fach Tonsatz an der Hochschule tätig und wurde am 8. November 1976 zum Professor für "Tonsatz und Neue Musik mit Ensemblespiel" berufen. Er lehrte bis zum Eintritt in den Ruhestand im März 2001.
1936 in Bratislava geboren, studierte Kupkovič in seiner Heimatstadt Geige und Dirigieren. In den 1960er Jahren intensivierte es sein Komponieren und lebte seit 1964 als freischaffender Komponist. Mit einem Stipendium des DAAD kam er 1969 nach Westberlin und siedelte 1970 zusammen mit seiner Frau endgültig nach Deutschland um, zunächst nach Berlin, ein Jahr später nach Köln. Von der dortigen Szene – Karlheinz Stockhausen, Wolfgang Rihm, Mauricio Kagel – wurde er freundlich empfangen und in die Programme der Neue-Musik-Tage in Donaueschingen und Darmstadt aufgenommen. Kupkovič zählte in den 1960er- und 70er-Jahren zu den führenden Vertretern der osteuropäischen Avantgarde und wurde für seine Experimentierlust (u.a. Wandelkonzerte) gefeiert. Ab etwa 1980 verlagerte er seinen Schwerpunkt auf das tonale Komponieren.
Sein Werk umfasst über 300 Titel. Ladislav Kupkovič war Mitglied im Hannoverschen Künstlerverein und in der Freien Akademie der Künste Hamburg. Er lebte bis zum Schluss in der Nähe der Niedersächsischen Landeshauptstadt.
Prof. Frank Märkel, Musiktheorie, erinnert sich:
Eigentlich war Kupkovič berufen auf eine Stelle für Komposition und Ensembleleitung Neue Musik. Hierfür galt er damals – Anfang der siebziger Jahre – zu Recht als hochkompetenter und renommierter Spezialist, v.a. durch die Zusammenarbeit mit Stockhausen – von diesem als Dirigent hochgeschätzt (was durchaus die Ausnahme war).
Nach seiner radikalen Abkehr von der Neuen Musik und der Wende zu funktionaler Tonalität und klassischen formalen Modellen hat er dann aber schon früh, d.h. spätestens ab Ende der siebziger Jahre, auch seine Lehrtätigkeit neu ausgerichtet. Er unterrichtete nahezu ausschließlich Musiktheorie und Gehörbildung im Instrumentalbereich der Künstlerischen Ausbildung, wo er sich als ehemaliger Orchestergeiger und Konzertmeister (bis 1965 in Bratislava oder besser Pressburg – er legte Wert auf die Verwendung dieses ursprünglichen slowakischen Namens) durchaus am richtigen Platz fühlte. Mit voller und – wie immer bei ihm – offensiv erklärter Überzeugung vertrat er die Position, dass der Theorieunterricht eine zwar notwendige, aber doch nur untergeordnete Rolle bei der Ausbildung junger Instrumentalisten spielen könne; die Ausbildung der technisch-musikalischen Reproduktionsfertigkeiten stand für ihn auch als Theorielehrer an erster Stelle und prägte damit Inhalte und Methoden seines Unterrichts.
Damit war er aber auch ein wirklich guter Lehrer für viele KA-Studenten, insbesondere für die in den 1990er Jahren sehr zahlreichen osteuropäischen Studenten, deren Mentalität und Bedürfnissen sein Unterricht besonders entgegenkam: streng, klar, unmittelbar musikalisch anschaulich und auf eine möglichst eindeutig reproduzierbare Terminologie und ein ebensolches Regelwerk konzentriert.
Obwohl eigentlich ein freundlicher, offener und auch witziger Mann, konnte er bisweilen äußerst verletzlich reagieren, wenn er sich angegriffen fühlte. Man musste dabei berücksichtigen (was für viele der satten rheinisch-republikanischen Nachkriegsmenschen sicherlich nicht so selbstverständlich war), dass Kupkovič nicht nur einmal seine Erfahrungen mit Einschränkungen von Individualität und persönlicher wie künstlerischer Freiheit gemacht hatte. Zuerst (vor seiner Emigration in den Westen) mit der kommunistischen Diktatur in seiner Heimat – dieser Heimat Slowakei, die übrigens, was Mentalität, Emotionalität und v.a. auch lokal-musikalische Prägung angeht, immer seine Heimat geblieben ist. Selbst seinen progressivsten kompositorischen Arbeiten, also vor 1972, hört man das immer noch mindestens stellenweise an.
Später dann, im ach so freien Westen, war er aufgrund seiner kompositorischen „Wende“ mit den spezifischen Denk- und Empfindungsverboten einer doktrinären westlichen Kunstideologie konfrontiert, die auch nicht von Pappe war (und ist). Seine auch in öffentlichen Stellungnahmen bisweilen sehr gereizten Reaktionen sind überhaupt nur vor dem Hintergrund dieser perspektivisch schiefen Doppelerfahrung zu verstehen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich nur feststellen, dass er sicherlich nicht im üblichen Sinne „schwierig“ war. War ein gewisses Grundvertrauen gegeben, war er nicht nur kollegial, in allen organisatorischen Belangen hilfsbereit und entgegenkommend, sondern sogar bereit, seine offiziell so eindeutige Positionierung zu relativieren. Im Gegenzug konnte er sich dann über Interesse, Erfolg und Anerkennung mit einer anrührenden Unbefangenheit und Naivität freuen. Das war ihm schon wichtig.