pressto | Unveröffentlichtes 2019/2020: ALMA
Ein berechneter Unberechenbarkeitsfaktor
Beim Spielen von ALMA verbinden sich bewusste Entscheidung und Unbestimmtheit. Für Heintz ist das besonders reizvoll und steht in der Tradition der Neuen Musik: „Ganz genau lässt sich nicht vorhersagen, welche Klänge man produziert. Das ist natürlich ein Unterschied zu traditionellen Instrumenten und eine andere Art, Musik zu produzieren als noch im 19. Jahrhundert. Aber in der Neuen Musik ist die ‚Indeterminacy‘ seit den 50er Jahren ein großes Thema. In der Elektronik und der Neuen Musik der letzten 70 Jahre ist das eine sehr vertraute Vorgehensweise. Man baut ein Programm und innerhalb des Programms gibt es Raum für bestimmte Zufallsentscheidungen.“ Letztlich bestimmt also der Code das Maß an Unbestimmtheit in der gemeinsamen Improvisation.
„Wenn man Zufall hört, denkt man schnell, alles sei egal. In der Musik ist das aber überhaupt nicht der Fall“, sagt Heintz und argumentiert mit dem „Williams-Mix“ von John Cage, „Die Vorgehensweise zur Entwicklung der Partitur war ein sehr komplexes ‚Programm‘ und führte zu einem detaillierten ‚Schnittmuster‘ für die Tonbänder. Diese Partitur übergab er an Techniker. Neben dem aufzunehmenden Klang waren auch Bearbeitungen in Tonhöhe, Lautstärke oder Klangfarbe vermerkt. In der Wahl, welche Klänge im Einzelnen aufgenommen wurden, lag die Umsetzungsfreiheit der Techniker. Wenn wir nur von der Partitur ausgehen, gibt es also unzählige Varianten von diesem Stück. Auch wenn die Auswahl der Klänge unterschiedlich ist, haben diese Variationen doch gleiche Charakteristika. Die Form ist entscheidend!“
Das ist bei ALMA nicht anders. In ihrem Code treffen Bestimmtheit, ästhetische Entscheidung, kompositorische Ideen, improvisatorische Reaktionen und bestimmte Unbestimmtheit aufeinander. „Was mir wichtig war, ALMA an Struktur mitzugeben, findet sich in den Modi“, betont Heintz.
Der Modus macht die Musik
Die Modi werden über Regler an der Keyboard-Tastatur ausgewählt. Die Codierung der Software steckt den Rahmen ab, in dem ALMA sich bewegt. Die Modi sind recht trennscharf, können sich aber überlagern. Joachim Heintz kann die Modi außerdem durch Arbeit am Softwarecode verändern. Aktuell hat er vier klangliche Ideen in Form von Modi umgesetzt. „Beim Spielen stellte ich fest, dass die Übergänge zu hart waren. Das habe ich über die Programmierung angepasst. Vielleicht kann ich es über Farben verdeutlichen: Anfangs hatte ich nur Rot und Blau, habe aber dann auch Farbtöne dazwischen eingebaut. Hörend lässt sich manchmal kaum sagen, welcher Modus welchen Klang letztlich bestimmt hat“, beschreibt er den Prozess.
Alma, die Zeitmaschine
Für Joachim Heintz ist ALMA ein Gedächtnis: „Sie spiegelt die Vergangenheit als neue Gegenwart. Die Spiegelung ist allerdings verzerrt. Für den Duo-Partner findet das Ganze in der Gegenwart statt. Ich glaube, viele Duo-Partner finden die Arbeit mit ALMA so spannend, weil man über den Input, den man ALMA gibt, auch eine so merkwürdige Weise mit sich selbst konfrontiert wird. Das, was man vor einer Minute gemacht hat, kommt in verfremdeter Form zu einem zurück und man spielt wieder damit. Die akustische Vergangenheit zur neuen Gegenwart zu machen, war meine Grundidee für Alma.“ Vielleicht sind Zeitreisen schon längst möglich, nur eben ganz anders als erwartet …
Sabine Hürthe
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