ImproKultur

Improvisieren mit Kindern und Jugendlichen im Kontext von sozialer Heterogenität und Migration

 

Im Zentrum des Projektes ImproKultur unter der Leitung von Dr. Andrea Welte, Professorin für Musikpädagogik an der HMTMH, steht die musikalische Improvisation mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Vorerfahrungen erhalten die Möglichkeit, gemeinsam Musik zu erfinden und in Improvisationskonzerten zu präsentieren. Die HMTMH kooperiert hierzu derzeit mit vier Hannoveraner Bildungseinrichtungen: der Integrierten Gesamtschule Linden, der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule, der Musikschule der Landeshauptstadt Hannover und der Grundschule Brüder-Grimm. Das Projekt startete 2015 mit einem Fokus auf der musikalisch-kreativen Förderung von geflüchteten Jugendlichen bzw. von Schüler*innen mit Zuwanderungsgeschichte in Sprachlernklassen und wurde seither kontinuierlich weiterentwickelt.

Ein zentraler Aspekt des Projektes ist die Aus- und Weiterbildung. Die Improvisationsstunden werden von Studierenden und Alumnae*i der HMTMH angeleitet. Diese konzipieren, realisieren und reflektieren die Angebote (90 Minuten/Woche) in Dreier-Teams. Sie werden dabei von Dozent*innen der HMTMH künstlerisch und pädagogisch begleitet. Hospitationen, Reflexionstreffen, Workshops und vertiefende Seminare – u. a. auch mit Gastdozent*innen – ermöglichen es, improvisatorische und improvisationspädagogische Kompetenzen auszubauen, Fähigkeiten im Team-Teaching zu verfeinern und den eigenen Umgang mit Musik(en), Diversität und Inter- bzw. Transkulturalität zu reflektieren.

Die Musizierenden erhalten durch das Projekt einen sicheren (Frei-)Raum, in dem sie zu einer produktiven Gruppe zusammenfinden und ihre musikalischen, ästhetischen und kommunikativen Fähigkeiten und Fertigkeiten spielerisch entdecken und ausbauen können. Sie erfinden verschiedenartige Musik und verknüpfen sie mit Bewegung, Schauspiel, Bildern oder Geschichten. Dabei tauschen sie sich auf vielen Ebenen aus, entwickeln Fertigkeiten weiter und bringen ihre eigenen – nicht nur musikalischen – Erfahrungen in die Zusammenarbeit ein. Explizit sind auch die anleitenden Musiker*innen Teil der Gruppen. Neben ihrer musikpädagogischen Begeisterung und Expertise bringen sie auch ihre eigene künstlerische Praxis ins Spiel. Die Improvisationspraxis ermöglicht die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Verantwortungsübernahme und Kreativität auf mehreren Feldern. Die Improvisierenden können lernen, bei sich anzukommen, die Wahrnehmung auszubilden und zu differenzieren, sich musikalisch auszudrücken, sich über Musik auszutauschen und eigenverantwortlich im offenen, wertschätzenden Umgang miteinander Musik und Gemeinschaft zu gestalten.

Wie kann das kreative Miteinander von Menschen mit verschiedenartigen musikkulturellen Praktiken erklärt werden? Inwiefern kann gemeinsames Improvisieren zu gesellschaftlicher Transformation beitragen? Schnittstelle zwischen der Praxis und der Aus- bzw. Weiterbildung ist die qualitative Forschung: Das Projekt wird ethnografisch erforscht. Grundlegende Abläufe und Muster sowie aktuelle Herausforderungen der Praxis werden herausgearbeitet. Die Erkenntnisse fließen in die Qualifizierung der studentischen Lehrenden ein und dienen als Grundlage, das Projekt weiterzuentwickeln. Ziel der Forschung ist zugleich, den musikpädagogischen Wissenschaftsdiskurs zu Heterogenität und Diversität voranzubringen.

ECI

„Everyone can improvise“ – dies ist der Titel und zugleich die Maxime des Erasmus-Plus-Projektes, unter der seit September 2023 vier europäische Hochschulen miteinander kooperieren, um gemeinsam innovative Lehrmodelle zur Pädagogik musikalischer Improvisation zu entwickeln und erforschen.

Die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH), die Kunstuniversität Graz (KUG), die Musikhochschule Lübeck (MHL) und die Universität Zagreb (ZU) arbeiten über drei Jahre hinweg eng zusammen, um Studierende länderübergreifend im musikalischen Improvisieren mit heterogenen Gruppen zu qualifizieren. Den Ausgangspunkt und inhaltlichen wie methodischen Bezugspunkt für „Everyone can improvise“ (ECI) bilden die Erfahrungen aus dem Projekt ImproKultur, das seit 2015 erfolgreich von der HMTMH durchgeführt wird.

Im Zentrum von ECI steht die gemeinsame Lehrtätigkeit von Studierenden und erfahrenen Lehrkräften. Im Team leiten sie Improvisation an Grundschulen, weiterführenden Schulen, Musikschulen oder Kindergärten an. Dabei wird musikalische Teilhabe großgeschrieben: Es gibt keinen fest vorgegebenen Lehrplan, vielmehr wird gelernt, in einem inklusiven Rahmen vor ganz unterschiedlichen individuellen Erfahrungshorizonten eigene musikalische Ausdrucksformen zu finden, auszubauen und in Konzerten aufzuführen.

Ein Kernziel des Projektes ist es, einen multidirektionalen Wissenstransfer im Bereich der Improvisationspädagogik anzustoßen. Als ein Kernelement dient die Methode des Teamteachings, die Studierende am reichhaltigen Erfahrungsschatz der Lehrer*innen partizipieren lässt, während letztere von innovativen Ansätzen und Perspektiven aus hochschulischer Forschung und Lehre profitieren. Weiterhin bieten Begleitseminare die Möglichkeit, die praktischen Erfahrungen breiter zu kontextualisieren und über disziplinäre Grenzen hinweg zu reflektieren. Diese Seminare werden in Teilen hybrid und länder- bzw. institutionsübergreifend angeboten und sollen u. a. auch den Austausch über die Ergebnisse der begleitenden ethnografischen Forschung zum Projekt fördern.

Mit dem innovativen Ansatz, der Improvisationspädagogik und musikpädagogische Inklusion verbindet sowie eine zugleich forschungsgeleitete und praxisorientierte Lehre entwickelt, soll ECI ein Modell für musikpädagogische Hochschullehre über die teilnehmenden Institutionen hinaus liefern. Nach Beendigung des Projektes 2026 sind an allen vier Standorten Präsentationen in Form von Symposien geplant, die anschlussfähige Impulse im musikpädagogischen Diskurs setzen sollen. Die Ergebnisse des Projektes sollen dokumentiert werden und zur Implementierung der Strukturen auch an anderen Standorten anregen.

Fotos: Nico Herzog

 

Kontakt

Weiterführende Informationen

Vortrag von Prof. Dr. Andrea Welte bei "Herrenhausen Late" am 27.11.2020: "Let's improvise! Brücken bauen mit Musik" (externer Link)

Zuletzt bearbeitet: 11.12.2023

Zum Seitenanfang